"Der große Sprung ist geschafft"

27.05.2014

Bildinhalt: "Der große Sprung ist geschafft"  | Edeltraut Höfer, die bisherige Leiterin des städtischen Verkehrs- und Tiefbauamtes. /Foto: A.Kempner
Edeltraut Höfer, die bisherige Leiterin des städtischen Verkehrs- und Tiefbauamtes. /Foto: A.Kempner
 

Leipzigs oberste Verkehrsplanerin Edeltraut Höfer geht in Ruhestand - und zieht im LVZ-Interview Bilanz

Offiziell verabschiedet wurde sie schon, doch am Monatsende ist endgültig Schluss: Leipzigs oberste Verkehrsplanerin Edeltraut Höfer geht in den Ruhestand. Seit der Wende hat sie Leipzigs Verkehrspolitik mitgestaltet, seit 2003 als Leiterin des Verkehrs- und Tiefbauamtes.

LVZ: Die Stadt ist voller Straßenbaustellen und Sie als oberste Straßenbau-Verantwortliche gehen von Bord - ist das nicht ein seltsames Gefühl?

Frau Höfer: Ja, das ist schon seltsam. Ich habe bis zuletzt das Bedürfnis, noch alles Mögliche zu regeln.

LVZ: Mit Ihrem Amtsvorgänger Walter Stein haben Sie 1990 in Leipzig die Aufholjagd im Straßenbau gestartet. Sind sie mit dem Erreichten zufrieden?

Frau Höfer: Im Großen und Ganzen ja. Aber ganz zufrieden kann man nie sein. Es gibt noch viel zu tun.

LVZ: Sie meinen den schlechten Zustand von vielen Leipziger Straßen und Brücken?

Frau Höfer: Es sind große Anstrengungen notwendig, um ihren Zustand zu verbessern. Denn mit Schlaglochflicken ist es nicht getan, Ein ganzer Teil unserer Straßen hat seine Lebensdauer überschritten und ist alt geworden, ohne dass an ihnen jemals etwas gemacht werden konnte. Weil die Tragfähigkeit nicht mehr gegeben ist, reicht es nicht aus, nur eine neue Decke aufzubringen. Sie müssen grundhaft ausgebaut werden und das kostet richtig, richtig Geld. Im Moment liegt Leipzigs Investitionsschwerpunkt auf Kindergärten und Schulen. Dann kommt aus meiner Sicht sofort die Infrastruktur.

LVZ: Hätte Leipzig in den vergangenen 20 Jahren etwas anders machen sollen?

Frau Höfer: Wir haben die richtigen Prioritäten gesetzt. Über die Finanzausstattung der Kommunen muss bundesweit geredet werden. Der Deutsche Städtetag beschäftigt sich des Öfteren damit. Das Problem sind ja nicht immer die fehlenden Fördermittel, sondern dass die Städte nicht die notwendigen Eigenmittel aufbringen können. Wenn ich mit Amtsbrüdern in den anderen Städten rede, ist dort die Situation ähnlich. Es wäre schon schön gewesen, wenn wir mehr Mittel gehabt hätten, um unsere Verkehrsinfrastruktur noch weiter voranzubringen.

LVZ: Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen lag?

Frau Höfer: Ich habe mich eigentlich um alles gern gekümmert - ob Großprojekte oder kleinere Sachen. Meine Kollegen können ein Lied davon singen, wenn ich sie abends noch losgeschickt habe, um auch noch kleinere Sachen in Ordnung zu bringen.

LVZ: Woran denken Sie mit Grausen zurück?

Frau Höfer: An langatmige bürokratische Wege. Es sind viele Dinge miteinander abzuwägen, wenn größere Projekte angeschoben werden. Die Stadt baut ja meist nicht allein und muss alle fragen, die Leitungen in der Straße haben. Zum Beispiel die Wasserwerke, die Verkehrsbetriebe oder die Telekom. Es müssen alle mitbauen können und überall muss das Geld dafür bereitstehen. Außenstehende ahnen gar nicht, was da alles schief gehen kann und koordiniert werden muss.

LVZ: In Ihre Amtszeit fiel der rasante Anstieg des Radverkehrs. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?

Frau Höfer: Die Sicherheit der Radfahrer. Dass bei der Planung von Radwegen nicht nur alles für die Schnellradler bedacht wird, sondern auch für Kinder und Ältere. Deshalb dürfen die Lösungen nicht zu kompliziert sein, sondern schnell begreifbar.

LVZ: Was muss geschehen, damit Leipzig eine fahrradfreundliche Stadt wird?

Frau Höfer: Es müssen mehr Mittel für den Radverkehr und für die Straßenunterhaltung eingesetzt werden. Eine gute Straßendecke ist die Voraussetzung, dass alle besser voranzukommen.

LVZ: Weil der Autoverkehr unerträglich stark angewachsen ist, haben Ihnen viele Bürgerinitiativen das Leben schwer gemacht. Es wurden Lasterverbote, Tempo-30-Zonen und ampelgeregelte Fußgängerüberwege erzwungen. Wie sehen Sie diese Entwicklung mit etwas Abstand?

Frau Höfer: Es ist völlig in Ordnung, dass Bürger Wünsche an die Verwaltung herantragen. Aber nicht jeder Wunsch kann umgesetzt werden, weil es Gesetze gibt. Ich denke, wir haben uns immer auf gute Kompromisse geeinigt.

LVZ: Inzwischen ist der Autobahnring um Leipzig geschlossen - gibt das nicht völlig neue Spielräume, den Verkehr in der Stadt zu reduzieren?

Frau Höfer: Ich denke, die Spielräume sind ausgereizt. Der Durchgangsverkehr ist heute fast vollständig aus der Stadt auf den Autobahnring verlagert. Die Laster in der Stadt sind Anlieferer und Baustellenverkehr.

LVZ: Durch Red Bull ist in den letzten Monaten eine rasante Entwicklung in Gang gekommen. Sollte die Stadt noch einmal völlig neu über die Erschließung des Sportforums nachdenken?

Frau Höfer: Das Sportforum ist ein sogenannter gewachsener Standort. Dort ist es nicht möglich, unendlich viele Zufahrten oder Stellplätze zu schaffen. Die Stadt muss mit den Gegebenheiten umgehen und diese optimieren. Das haben wir jetzt gemeinsam mit Red Bull und der Stadionbetriebsgesellschaft getan. Auch andere Städte setzen in solchen Fällen auf Park & Ride.

LVZ: In Leipzigs Olympiabewerbung war ein zweiter S-Bahn-Tunnel enthalten, um das Sportforum und den Leipziger Westen optimal zu erschließen. Wäre es nicht eine Option, diese Pläne noch einmal genauer anzuschauen?

Frau Höfer: Im Augenblick besteht dazu keine Veranlassung. Leipzig ist eine Straßenbahnstadt und hat nun auch noch ein tolles mitteldeutsches S-Bahn-Netz. Wenn die Einwohnerzahl nicht auf 1,2 Millionen klettert, ist das ausreichend.

LVZ: Aber für die Erschließung des Sportforums ist es extrem hinderlich, dass die Jahnallee zwischen Waldplatz und Leibnizstraße extrem schmal ist ...

Frau Höfer: Wir haben schon einmal untersucht, dort einen Autotunnel zu bauen. Dabei kamen wir schon mit den Rampen nicht klar, die nötig sind, um in der Jahnallee abzutauchen. Eine Rampe hätte schon am Goerdelerring beginnen müssen. Für so einen langen Tunnel müssten auch Entlüftungsanlagen entstehen, die ich mir in diesem Bereich nicht vorstellen kann. Und natürlich hätte solch ein neuer Tunnel auch eine verkehrsanziehende Wirkung. Ich bin für stadtverträglichen Verkehr.

LVZ: Wenn ein Stadion für 80000 bis 90000 Zuschauer erforderlich wäre, müsste Leipzig also über ein völlig neues Stadion an der Peripherie nachdenken?

Frau Höfer: Ja. Im alten Zentralstadion waren zwar auch schon einmal 100 000 Zuschauer, aber das waren andere Zeiten.

LVZ: Gibt es andere Verkehrsprojekte, die Leipzig noch einmal einen richtigen Entwicklungsschub geben könnten?

Frau Höfer: Es gibt viele Dinge, die in Leipzig dringend notwendig sind. Zum Beispiel, dass wir die Könneritzstraße umbauen. Ich bin auch froh, wenn die Wurzner Straße fertig wird und 2018/19 die Erneuerung der Brücken in der Georg-Schwarz-Straße gelingt. Das sind die Großprojekte von heute.

LVZ: Leipzigs Straßennetz ist also im Grunde fertig?

Frau Höfer: Im Groben ja. Der große Sprung ist geschafft. Viele Leute werden das anders sehen, weil es noch so großen Instandsetzungsbedarf im Straßennetz gibt. Das wird die große Herausforderung der kommenden Jahre sein.

LVZ: Findet sich deshalb kein Nachfolger für Sie?

Frau Höfer: Ich bin zuversichtlich, dass sich jemand findet.

LVZ: Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben?

Frau Höfer: Als jemand, der seine Arbeit mit Herz und Seele gemacht hat.

LVZ: Was werden Sie im Ruhestand tun?

Frau Höfer: Das, was bis jetzt zu kurz kam: viel Zeit mit Kultur, Sport und meinen sechs Enkelkindern verbringen.

Interview: Andreas Tappert

Leipziger Volkszeitung, vom 24. 05. 2014


Nachricht vom 27.05.2014
Autor: