Abschied vom "Mädchen für alles"

28.07.2014

Bildinhalt: Abschied vom "Mädchen für alles"  | Langweilig wird es Hartmut Kirchhof fortan gewiss nicht,trotz schweren Abschieds./Foto:André Kempner
Langweilig wird es Hartmut Kirchhof fortan gewiss nicht,trotz schweren Abschieds./Foto:André Kempner
 

Hartmut Kirchhof war fast 30 Jahre Technikchef im Diakonissenkrankenhaus - nun rufen die Ehrenämter

Von Angelika Raulien

Ist vom Krankenhaus die Rede, sind es in erster Linie die Ärzte, Schwestern und Pfleger, die in der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Doch so eine Klinik ist ein komplexer Organismus, den ein ganz spezieller Trupp "am Leben" erhält: die Haustechniker. Im Evangelischen Diakonissenkrankenhaus in Lindenau stand Hartmut Kirchhof fast 30 Jahre an deren Spitze. Und nun, da er sich in die passive Altersteilzeitphase verabschiedete, zog eine hauseigene "Legende" von dannen.

Kirchhof nennt es bescheiden schmunzelnd anders. "Eher ein Mädchen für alles", sagt er, verweist auf Zuständigkeiten für Parkpflege, Straßenreinigung, Wasserversorgung, Lüftungs- und Klimaanlagenwartung; auf die Reinfilterpflege in den OP-Sälen; auf jede Glühbirne im Haus. Selbst der Pflege von 70 Diakonissen-Gräbern auf dem angrenzenden Friedhofsgelände widmet sich die Haustechnik-Crew.

Kirchhof selbst hatte 1986 in der Klinik im Westen der Stadt als "Vize" des damaligen Chefs angefangen. "Unser Bereich - heute sind es sieben Leute - zählte damals noch gut 40 Mitarbeiter. Und deren Improvisationstalent war ganz schön gefragt", erzählt der heute 63-Jährige. "Für ein kirchliches Haus gab es ja kaum staatliche Gelder. Zwar half uns manche Materialspende aus den alten Bundesländern. Doch wo immer sich eine Baustelle auftat, galt es auch viel mit Eigenleistung zu stemmen." Mit ehrenamtlichen Feierabend-Brigaden, wie sie hießen, weil sie täglich nach 16 Uhr anrückten.

Ende 1993 rückte Kirchhof dann vollends zum Technischen Leiter auf. In einer Zeit, wo es galt, bundesdeutsche Normen und Gesetzlichkeiten vor Ort umzusetzen. "Was letztlich hieß: Das Krankenhaus wurde so gut wie neu gebaut", umreißt er knapp, was allen über einige Jahre hinweg wahnsinnig viel Nerven und Kraft kostete. "Stolz waren wir dann aber vor allem darauf, dass es relativ schnell gelang, die großen DDR-üblichen Saalstationen abzuschaffen und kleinere Patientenzimmer einzurichten. Auch der Bau unseres Blockheizwerkes, mit dem wir seither günstig unseren eigenen Strom, die Wärme oder auch die Kälte für die Klimaanlagen im Sommer produzieren, zählt für mich zu den großen Errungenschaften", sagt Kirchhof, der sich seit der Wende auch für die Belange seiner Kollegen in entsprechenden Mitarbeitervertretungen engagierte: an vorderster Stelle vor Ort im Diakonissenkrankenhaus; auf landeskirchlicher Ebene, gar mal an der Spitze aller sächsischen Mitarbeitervertretungen nebst deren übergeordneter Bundeskonferenz.

Unterwegs in derlei Mission, erlebte Kirchhof gleich nach 1990 bewegte Zeiten. "Ich war in der bundesweiten Arbeitsrechtskommission der Evangelischen Kirche Deutschlands für die Region Ost, wo versucht wurde, das Arbeitsrecht der alten Bundesländer auf unser Gebiet zu übertragen", schildert er. "Wir haben dort, wenn man so will, das Arbeitsrecht für Mitarbeitende im diakonischen Bereich festgeschrieben." Überdies war er mit von der Partie, als 1995/97 für Sachsen eine Regionalarbeitsrechtskommis- sion gegründet wurde, um eine entsprechende Grundsatzordnung explizit für den Freistaat auf den Weg zu bringen.

Bis zum vergangenen Wochenende war der Mann, der gar nicht zählen kann, wie oft er in all seinen Dienstjahren selbst nachts aus dem Bett geklingelt wurde, weil ein Wasserrohrbruch, da ein Stromausfall Bereiche lahm legte, noch dabei, seinen Nachfolger einzuarbeiten. "Genau genommen, habe ich mir den Ruhestand ja gar nicht herbeigesehnt", lässt er einem Stoßseufzer freien Lauf. Ein Trost für den Vater zweier erwachsener Kinder: Auch in absehbarer Zeit wird er nicht von hundert auf null runterfahren müssen. Und seine Ehefrau, die ihm tapfer "all die Jahre den Rücken freihielt", benötigt wohl weiterhin etwas Geduld. Da seien nämlich noch etliche Ehrenämter, lässt Kirchhof durchblicken: der Vorstandsvorsitz im Verein Ökumenische Sozialstation Leipzig, die Mitgesellschafter-Tätigkeit im Hospiz Villa Auguste, der Vorstandsvorsitz in der Leipziger Tabor-Kirchgemeinde. Und eines scheint Kirchhof nun auch mit etwas Erleichterung zu erfüllen: "Ich kann jetzt vielleicht doch etwas mehr für meinen Vater da sein. Er ist 90, kann hier und da eine hilfreiche Hand gebrauchen."

Text von Angelika Raulien.

Leipziger Volkszeitung, vom 28. 07. 2014


Nachricht vom 28.07.2014
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